Gebaute Phantasien — erfundene Realitäten

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  • Karin Lingnau, Christian Faubel, David Hahlbrock und Georg Trogemann
  • SS 2014, Fachseminar
  • Mo. 13:00-15:00
  • Lab3, Filzengraben 8-10

Die Gartenarchitektur des Barocks kann als ideelle Landschaft gelesen werden, die mit strenger Geometrie und Spiegelflächen in Szene setzt, wie Philosophie und Zeitgeist das Verhältnis zwischen Mensch und Natur reflektieren und definieren.

 

Aber auch Friedhöfe und Skulpturenparks sind gebaute Utopien. Foucault nennt sie Heterotopien. Für ihn ist das Schiff die realisierte Phantasie schlechthin. Es ist nicht nur das größte Instrument der wirtschaftlichen Entwicklung des 16. Jahrhunderts, sondern auch das größte Imaginationsarsenal. Ein künstlicher Raum, der aus sich selber lebt, in sich geschlossen und gleichzeitig dem Meer ausgeliefert, nach den Kostbarkeiten ferner Kolonien suchend. Phantasien lassen sich materialisieren.

 

Umgekehrt sind der vermeintlichen Realität immer schon unsere Vorstellungen eingeschrieben. Sehen wir ein hinkendes mechanisches Artefakt so regt sich unser Mitleid. Ein nach dem Zufallsprinzip bewegtes Teilchen scheint sich selbstbestimmt zu bewegen. Ein nach einfachsten kybernetischen Regeln verdrahtetes Vehikel, das sich zum Licht bewegt und Gegenständen ausweicht, scheint eigene Ziele zu verfolgen. Diese Zuschreibungen und Selbsttäuschungen erzählen uns mehr über uns als über die Artefakte selbst. Die Artefakte werden zu philosophischen Spielzeugen, denn sie decken eine Differenz zwischen dem was wir zu wissen meinen und dem was wir wahrnehmen auf. Ganz so wie die Illusionsapparate des 19. Jahrhunderts, die Vorläufer der heutigen Kinotechnik, wie beispielsweise das Phenakistiskop, das aus einer festen Anzahl von Einzelbildern die Wahrnehmung eines kontinuierlichen Films erzeugt.

 

Das Seminar behandelt das Spannungsfeld zwischen gebauten Phantasien und imaginierten Fakten anhand vielfältiger historischer und aktueller Beispiele. Wir wollen Objekte bauen, Situationen herstellen und Prozesse konfigurieren die der Frage nachgehen, wie sich die Objektivierungen unseres Geistes in die von uns geschaffenen Artefakte einschreiben und die gebaute Realität sich umgekehrt in den Geist zurück schreibt.

 

Die herzustellenden Objekte und Prozesse unterliegen dabei nicht den üblichen zweckrationalen Zielen der Technik, aber auch nicht nur den ästhetischen Strategien der Kunst, sondern auch den phänomenologischen und erkenntnistheoretischen Kriterien der Philosophie und den Gesetzmäßigkeiten experimenteller Aufbauten.


Guest Lectures

Ludwig Zeller as guest
Diane Morin as Guest